Medienmitteilung der Aktion Mühleberg stillegen (AMüs), 30 Januar 2002
Sabotage und Fehlhandlungen in Atomkraftwerken
Nach den Reaktionen auf die Ereignisse vom 11. September 2001 in Parlamenten, Sicherheitsgremien und Industrie,
welche sich ohne weitere Fragen ausschliesslich auf Flugzeuganggriffe und deren Abwehr bezogen haben, weist die Aktion
Mühleberg stilllegen in einem Brief an die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen auf die vielfältige Angreifbarkeit
von AKW hin und fordert eine Gefahrenanalyse.
Die Aktion Mühleberg stilllegen AMüs hat in den letzten Monaten die politischen Debatten, die Beschwichtigungs-Massnahmen der
Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen HSK und die tech-nischen Entwicklungen bezüglich Flugzeug-Anschlägen aufmerksam verfolgt.
In einem Forderungskatalog an die HSK führt AMüs folgende Begehren auf:
- Folgen von Flugzeugabstürzen müssen in die Risikountersuchungen einbezogen werden. Bisher sind die massiven Erderschütterungen infolge des Absturzes eines modernen Passagier-Flugzeuges völlig ausser Acht gelassen worden. Dies ist umso brisanter, als das Urteil zu unserem Justiz-Begehren vom September 2000, das AKW Mühleberg wegen mangelndem Schutz gegen Erdbeben nachzurüsten, vom Bundesrat nach wie vor nicht gefällt ist.
- Für alle Atomanlagen ist dringend eine Gefahrenanalyse, welche die Zerstörbarkeit der verschiedenen Komponenten und Einrichtungen untersucht, notwendig.
Dazu braucht es Kriterien zur Beurteilung des Schwierigkeitsgrads der Sabotage (einfache Mittel wie Streichhölzer, Eingriff ohne Barriere etc.), sowie deren Auswirkung auf Umwelt und Gesellschaft.
Statistiken und Wahrscheinlichkeiten nützen hier nichts. Die Fragen sind konkret:
- Wie viele einfache Hand-Fehlgriffe (z.B. im Kommandoraum) genügen, um eine Kernschmelze auszulösen?
- Welche gleichzeitigen grösseren Aktionen (realistischerweise drei Aktionen) können einen grossen Unfall herbeiführen? Beispielsweise gibt es im AKW Mühleberg eine Sammelleitung, welche sämtliche wichtigen Notkühlsysteme zusammen mit Wasser bespeist. Eine Zerstörung dieser Leitung hätte zusammen mit anderen Zerstörungen schreckliche Auswirkungen.
- Zusammenfassend: Wie leicht sind Kernschmelzen zu erreichen; welche Verseuchung haben diese zur Folge?
AMüs erwartet, dass die Hauptergebnisse dieser Analyse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass die Resultate bewertet und dass die erforderlichen Nachrüstungen der AKW getätigt werden.
Im Brief an die HSK bemängelt AMüs, dass in der schweizerischen Debatte Begleiterscheinungen des Flugzeugabsturzes vollständig ausgeblendet worden sind. Im Gegensatz dazu hat der Vorsitzende der Reaktor-Sicherheitskommission der BRD, Lothar Hahn, im letzten September auf die starken Erderschütterungen nach einem Absturz hingewiesen, welche Sicherheitssysteme der AKW zerstören kön-nen. - Weiter kritisiert AMüs, dass der Fokus bisher lediglich auf eine einzige Anschlags-Art, den Flugzeug"absturz", gerichtet ist. In einem AKW gibt es viele Sabotagemöglichkeiten, welche zu einer Katastrophe führen. Nachlässigkeiten des Personals können solche Angriffe begünstigen. Deshalb zitiert AMüs Fahrlässigkeiten, welche die IAEA-Untersuchungen zu Schweizer AKW OSART-Missionen) festhalten: An verschiedenen nicht feuersicheren oder exponierten Orten stehen leicht entzündliche Materialien. Im AKW Mühleberg waren Zigarettenstummel in einem sicherheitsrelevanten Raum mit Rauchverbot gefunden worden. - Auch der Druck auf Management und Personal, zum Beispiel durch Skandale, Arbeitsstress oder Realitätsverlust, darf nicht unterbewertet werden. Beispiele für unberechenbare Attacken gegen die Umwelt (KollegInnen, Vorgesetzte, Maschinen) sind zur Genüge bekannt.