Die KKM Filterpanne: Das Berner Klein-Tschernobyl

Am 26. April 1986 kam es im russischen AKW Tschernobyl zu einem Super-GAU, die Radioaktivität verteilte sich über weite Bereiche Europas, dabei war sie auch in Mühleberg messbar.

Erst Tschernobyl dann Mühleberg

Im Herbst desselben Jahres stieg die Radioaktivität um das AKW Mühleberg herum erneut an. Radioaktive Aerosole entwichen über die Kaminabluft des AKW Mühleberg, ohne dass dies von der Abluft-Ueberwachung festgestellt wurde. Grund: Am 11. September 1986 entwichen beim Zentrifugieren von Filterharzen, die zuvor zur Reinigung des Reaktorwassers gedient hatten, durch defekte Filter über den Kamin grössere Mengen radioaktiver Aerosole.

Der Betreiber merkte davon anfänglich angeblich überhaupt nichts. Nur die Kommission zur Ueberwachung der Radioaktivität (KUER) war zufällig am gleichen Tag mit Messungen im Gelände beschäftigt und notierte erhöhte
Werte für radioaktives Kobalt. Sie teilte es dem Werk mit, und fünf Tage später entdeckte ein Angestellter das Leck im Abluftsystem. Wie immer bei Atomunfällen waren auch hier die Defekte gleich in Serie aufgetreten.

Durch ein Informationsleck gelangte die Meldung «AKW Mühleberg:
Radioaktivität ausgetreten» am 26. September in die „Freiburger Nachrichten“. Trotzdem dass die Messstationen der KUER im Gelände seit dem 11. September eine überaus deutliche Erhöhung der Radioaktivität registriert hatten, beschwichtigten die AKW-Betreiber, es sei alles ganz harmlos und nichts in die Umgebung gelangt. Die KUER hielt es nicht für nötig zu dementieren. Pech für beide, dass ihnen der Physiker Andre Masson schon seit Jahren misstraute und eigene Messgeräte installiert hatte. Seine Messungen förderten das Ausmass der Filterpanne an den Tag. In der näheren Umgebung des AKWs waren die Radioaktivitätswerte in
der Luft wieder etwa bis zur Tschernobyl-Spitze angestiegen, im Gegensatz zu Tschernobyl aber blieben sie über Monate oben. Die KUER errechnete, dass der Radioaktivitätsausstoss etwa 60% des erlaubten Maximalwertes ausmachte, bei dessen Ueberschreitung das AKW hätte abgestellt werden müssen. Die BKW hatte vorerst versucht, alles zu vertuschen. Sie verstrickte sich in heillose Widersprüche. Ihre Messangaben wurden von Tag zu Tag korrigiert; erst war nur von Kobalt die Rede, dann auch von Cäsium und Zink. Auch das Märchen von der alleinigen Verstrahlung des Vorplatzes konnte nicht aufrechterhalten werden.

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