37. Jahre Tschernobyl; Die Schweiz hat nichts daraus gelernt!

26. April 2023; Die Atomkatastrophe jährt sich wieder: Vor 37 Jahren, am 26. April 1986, explodierte Reaktor Nummer 4 im Atomkraftwerk Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat, damals noch Teil der Sowjetunion. Tausende Quadratmeter Land sind radioaktiv verseucht, Tausende Menschen sind aus ihren Wohnorten vertrieben und dies für Tausende von Jahren. Und die Schweiz, sie hat nichts daraus gelernt!

2011 Der Bundesrat zeichnet einen Plan

Nachdem sich 2011 auch in Fukushima ein SuperGAU ereignete sprach sich der Bundesrat für den Atomausstieg aus. Die damalige Energieministerin Bundesrätin Doris Leuthard sagte damals an einer Pressekonferenz[1]: „Die bestehenden Atomkraftwerke sollen noch bis zum Ende ihrer Laufzeit Strom produzieren, danach aber ersatzlos vom Netz genommen werden. Damit müssten die AKW Beznau und Mühleberg 2019 und 2022, die Meiler in Gösgen und Leibstadt 2029 und 2034 abgeschaltet werden. Einen fixen Termin für den Ausstieg nennt der Bundesrat nicht. Die Laufzeit eines AKW bezifferte Leuthard auf 50 Jahre, erklärte aber, dass auch 60 Jahre denkbar seien, sofern die Sicherheit gewährleistet sei.“

2023 Die Realität

Der Fahrplan wie Ihn BR Leuthard erklärte wird nicht eingehalten. Ende 2019 wurde zwar das AKW Mühleberg abgestellt und befindet sich bis 2035 im Rückbau. Für die AKW Beznau I (54 Jahre) und II (52 Jahre) gibt es jedoch keinen Abschalttermin, die Laufzeit der Altreaktoren wird ausgereizt. Die Stimmbürger beschlossen zwar 2016 den Atomausstieg, die Laufzeit der verbliebenen Schweizer Atomkraftwerke wird aber am Volk vorbei von 50 auf 60 Jahre Betrieb erweitert. Das AKW Beznau I (1969) ist zusammen mit 2 indischen Atomreaktoren (Tarapur I und II) das älteste in Betrieb stehende AKW der Weltweit 420 installierten Atomreaktoren.[2]

Die Schweiz hat keinen PLAN! Fokus Anti-Atom fordert einen konkreten Ausstiegsplan

Nach der Formel, „solange sie sicher sind“ wird der Betrieb der AKW durch die Atomaufsichtsbehörde ENSI geduldet. Diese fürchtet sich einerseits vor Klagen der Betreiber gegen Nachrüstauflagen und will andererseits keine Entscheide fällen, welche politisiert werden können. Die Bevölkerung wird durch den angesagten Strommangel verunsichert und nebenbei werden die AKW unbehelligt weit über deren ehemals ausgelegte Lebensdauer hinaus weiterbetrieben.

Was „Solange sie sicher sind“ bedeutet, zeigte ein Vorkommnis im AKW Beznau auf, welches nach internationaler Ereignisskala INES[3] als Vorkommnis der Stufe 1 eingestuft wurde. Nach jahrzehntelangem Betrieb wurde erkannt, dass die seit der Inbetriebnahme der Notstandsysteme in den Jahren 1992 und 1993 bestehenden Montageabweichungen in den Motorlagern der Notstanddieselgeneratoren des KKW Beznau zu einer reduzierten Erdbebenfestigkeit führten.[4] Eben dieses Vorkommen zeigte auf, dass die Sicherheitseinschätzung der Behörde und Betreiber nicht garantiert werden kann und später ohne Auswirkung entdeckt werden kann oder eben gar nicht! 

Jürg Joss Präsident der Organisation Fokus Anti-Atom hält fest: „Die Schweiz hat keinen Plan! Wir fordern einen Atom-Ausstiegsplan welcher konkrete Abschaltdaten vorgibt und somit den AKW-Betreibern Investitions-Sicherheit in nötige Nachrüstungen bietet und der Bevölkerung aufzeigt, wann das Nukleare Risikospiel ein Ende nimmt.“ Ein Ausstiegsplan würde bei Betreibern und Aufsichtsbehörde zu einer neuen Einschätzung der Sicherheit und der nötigen Investitionen bis Betriebsende führen. Anders als in heutigen Zeiten, wo man sich aufgrund der europäischen Energiemangellage nicht sicher ist ob und wie man Sicherheitsinvestitionen zurückbezahlt kriegt und auch jederzeit damit rechnen muss das ein Alterungsschaden ein sofortiges Betriebsende bedeuten kann. Im schlimmsten Fall ein Ende mit Schrecken!

Interview Radio Dreyeckland rdl.de:

https://rdl.de/beitrag/die-schweiz-hohe-berge-und-uralte-kernkraftwerke

Fokus Anti-Atom auf der Plattform ee-news.ch:

https://www.ee-news.ch/de/article/51070/fokus-anti-atom-37-jahre-supergau-in-tschernobyl-die-schweiz-hat-nichts-daraus-gelernt&page=#article_51070

Literaturtipp:

kate brown chernobyl: Manual to Survival


[1]                  NZZ vom 26.05.2011 https://www.nzz.ch/grundsatzentscheid_fuer_den_atomausstieg-ld.586135?reduced=true

[2]                  IAEA Power Reactor Information System https://pris.iaea.org/PRIS/WorldStatistics/OperationalByAge.aspx

[3]                  https://www.ensi.ch/de/notfallschutz/ines-skala/

[4]                  https://www.ensi.ch/de/2021/06/16/kkw-beznau-montageabweichung-an-den-notstanddieselgeneratoren-2/